Harnstoff, auch als Urea oder Carbamid bekannt, ist ein Bestandteil des natürlichen Hydro-Lipid-Films. Fehlt er, so spannt und juckt die Haut. Entsprechende Harnstoff-haltige Cremes schaffen Abhilfe.Zudem erhöht Harnstoff die Eindringtiefe weiterer Arzneistoffe und weicht in wasserfreien Zubereitungen und hohen Dosen Haut und Nägel auf.

Ein mit Pilzen oder Hefen befallener Nagel muss zum Teil aufgelöst werden, um die darunterliegenden Pilzsporen komplett zu beseitigen. Eingesetzt wird zum Beispiel eine 40-prozentige Harnstoffpaste des NRF. Aber nicht selten bemängeln die Anwender dieses Rezepturarzneimittel, nämlich dann, wenn der Harnstoff nicht ausreichend pulverisiert wurde und die Kristalle auf der Haut zu spüren sind. Im Text der NRF-Vorschrift 11.30. zur Herstellung der 40-prozentigen Harnstoffpaste wird explizit auf den Einsatz des Dreiwalzenstuhles verwiesen. Oder die 50-prozentige vaselinhaltige Harnstoff-Stammverreibung (NRF S.8), die ebenfalls mit der Walzenmühle bearbeitet wurde, ist zu verwenden. Nur so lässt sich die geforderte, auf der Haut nicht spürbare Korngröße realisieren. Bei Nassvermahlung mit dem flüchtigen Aceton im Mörser ist dieses Ziel nicht erreichbar.
Neben Vaseline enthält die Harnstoff-Paste 40 Prozent noch Wollwachs. Zunächst werden beide Salbengrundlagen in einer mit Pistill tarierten Fantaschale vermengt. Nach Zugabe des Harnstoffes entsteht eine grobkörnige Paste, die mehrmals über den Dreiwalzenstuhl gegeben wird, um die Teilchen zu zerkleinern. Dabei verringert man den Walzenabstand nach jedem Durchgang, bis keine einzelnen Harnstoffkristalle mehr zu erkennen sind.
Das Naturprodukt Wollwachs verleiht der Paste nicht nur einen angenehmen Duft, sondern verbessert die Haftung auf dem Nagel. Trotzdem wird empfohlen, die behandelten Nägel mit einem Pflaster abzudecken. Die Zehen und gerade die empfindlichen Zwischenräume sollte der Patient mit Zinkpaste schützen. Alle Salbenreste wäscht er dann nach 24 Stunden mit warmem Wasser ab. Die Aufbrauchfrist beträgt ein Jahr in der Spenderdose beziehungsweise Tube. Die Paste kann mit der Zeit nachhärten, lässt sich aber auch dann noch problemlos aus einer Tube entnehmen. Ausnahmsweise ist das wasserfreie System sogar in der obsoleten Schraubdeckeldose verkehrsfähig; jedoch verkürzt sich die Anwendung dann auf sechs Monate. Soll neben der ambulanten Nagelentfernung gleichzeitig der Pilz behandelt werden, kann 1 Prozent Clotrimazol in die Harnstoffpaste eingearbeitet werden (NRF 11.57.).
Gleiche Menge Wasser
Urea pura löst sich unter Abkühlung rasch und vollständig in etwa der gleichen Menge Wasser. Keinesfalls darf man die Temperaturabsenkung durch Erwärmen ausgleichen, denn Harnstoff zerfällt dann. Doch aufgepasst: Wird eine wässrige Harnstofflösung zur Kühlcreme DAB gegeben, so bricht diese emulgatorfreie Quasiemulsion. Denn die Unguentum leniens toleriert keine weitere Wasserzugabe. Die Kühlcreme DAB duldet ohne Brechen der Emulsion die Zugabe von 5 bis 10 Prozent Harnstoff, wenn die Kristalle einfach aufgestreut und unter gelindem Mischen ohne große Scherung eingearbeitet werden. Zunächst nimmt man bei manueller Herstellung eventuell ein Kratzgeräusch wahr. Um die Mischschale nicht zu beschädigen, wird eine Rührpause eingelegt. In dieser Zeit lösen sich die Ureakristalle in der inneren Wasserphase, und es muss lediglich nur noch endhomogenisiert werden. Auch eine Herstellung mit elektrischen Rührsystemen wie Topitec® oder Unguator® lässt sich unter Beachtung dieser Gegebenheiten problemlos realisieren.
Ganz anders reagieren die beiden Wollwachsalkoholcremes. Egal, ob die PTA die Lanae alkoholum unguentum aquosum DAB oder die entsprechende DAC-Variante einsetzt; nach der Harnstoffzugabe bricht die W/O-Creme. Denn die Wollwachsalkohole sind nur mäßig grenzflächenaktiv und vermitteln kaum zwischen den beiden nicht mischbaren Systemen Wasser und Fett. Sie umschließen die innenliegende Wasserphase eher mechanisch und stabilisieren das System unter Ausbildung eines nur zarten Fetthäutchens. Dieses zerplatzt wie eine Seifenblase, wenn es durch Zugabe des Harnstoffes zu schwer beladen wird. Die lipophile Creme bricht. Deshalb muss die W/O-Creme immer frisch hergestellt werden, zum Beispiel unter Einsatz von 45 g Wasser plus 5 g Harnstoff, die von 50 g Wollwachsalkoholsalbe stabilisiert werden. Es gilt die Regel, die Wasserphase immer um die Menge an verordnetem Harnstoff zu reduzieren.
Gleich welche der genannten lipophilen CremesHarnstoff enthält: Das Therapieziel ist immer vergleichbar. Denn die äußere Fettphase soll verhindern, dass die Harnstofflösung zu schnell abdunstet. So kann die Haut nicht nur gut hydratisiert werden, sondern körpereigene Harnstoffspeicher füllen sich auf. Das Wasserbindungsvermögen nimmt zu, und Juckreiz sowie schuppige Erscheinungen lassen nach. Urea pura wirkt zusätzlich leicht antibakteriell und kann so dazu beitragen, dass die gefürchteten Superinfektionen atopischer Haut seltener auftreten.
Synergismus nutzen
Harnstoff brennt nicht nur auf geschädigter und aufgekratzter Haut (Stinging-Effekt), sondern kann in höheren Dosen die Haut irritieren. Da Kochsalz ebenfalls Wasser bindet, lässt sich damit auch die Haut hydratisieren. Die lipophile Harnstoff-Natriumchlorid-Creme (NRF 11.75.) mit jeweils 10 Prozent Urea und Kochsalz dient deshalb dazu, trockene Hautzustände zu behandeln. Gerade ältere Patienten oder Menschen mit chronischem Ekzem, Neurodermitis, Psoriasis oder Ichthyosen profitieren von dieser Wirkstoffkombination, denn Kochsalz verstärkt den Feuchthalteeffekt von Harnstoff. Trägt der Patient diese Wasser-in-Öl-Creme mehrmals täglich auf, so gelangt der Arzneistoff auch in tiefere Hautareale. Daraus resultiert ein Langzeiteffekt. Sensibilisierende, phototoxische oder antiproliferative Effekte sind nicht bekannt, und eine mehrmals tägliche Anwendung über längere Zeiträume ist unproblematisch.
Die in einer Spenderdose oder Tube abgepackte lipophile Creme ist trotz Abwesenheit klassischer Konservierungsmittel sechs Monate verwendbar. Denn die äußere Fettphase schirmt die innere Wasserphase vor Verkeimung gut ab. Auch der sehr hohe Harnstoff- sowie Kochsalzgehalt trägt zur Haltbarkeit bei. Das Funktionsprinzip erklärt sich aus der Lebensmittelbranche: Gesalzene Wurst oder Schinken sind recht lagerstabil.
Puffer nötig?
Diese Frage ist zügig beantwortet: Immer, wenn eine saure Konservierung der Creme vorliegt, müssen carbamidhaltige Zubereitungen gepuffert werden. Wird beispielsweise Urea in anionische hydrophile CremeDAB oder SR/DAC eingearbeitet, benötigt man zum Schutz des sauren Konservierungsmittels einen Lactatpuffer. Denn Urea zerfällt letztendlich in Wasser und Ammoniak. Das basische Zerfallsprodukt NH3 reagiert klassischerweise mit der sauren Konservierung der Wasserphase, die dann nicht mehr ausreichend vor mikrobiellem Befall geschützt ist. Der Milchsäurepuffer fängt Ammoniak ab, und Sorbinsäure liegt undissoziiert vor, so dass es in diesem unpolaren Zustand in die Mikroben eindringen kann. Ist eine Zubereitung mit dem Pärchen Kaliumsorbat/wasserfreie Zitronensäure vor mikrobiellem Befall geschützt, so darf man keinesfalls auf den Zusatz des Laktatpuffers verzichten. Denn über eine klassische Verdrängungsreaktion wird aus dem Kaliumsorbat die eigentlich antimikrobiell wirksame Sorbinsäure freigesetzt. Auf dem Etikett muss die Herstellende jedoch immer die tatsächlich abgewogenen Bestandteile deklarieren. Dabei ist nach aktueller Datenlage das Konservierungsmittel nur nach der Art zu vermerken. Aber Achtung: Das Deutsche Arzneibuch fordert bei der Herstellung der Unguentum emulsificans auqosum den Einsatz von 1 Prozent Sorbinsäure. Wird stattdessen das Pärchen vom Hersteller eingesetzt, so darf in diesem Fall die Bezeichnung »DAB« nicht in der Kennzeichnung verwendet werden.
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